Dieses Video entstand Anfang Juli 2010 über Nacht an unserem Gartenteich. Es zeigt
das Schlüpfen von vier Libellen, genauer Blaugrünen Mosaikjungfern im Zeitraffer
über Nacht. Das Thema Zeitraffer hat es mir aus zwei Gründen angetan:
Zum einen ist unsere Wahrnehmung in den Alltagsgrößenordnungen gefangen. Änlich
wie die Analogien eröffnet auch der Zeitraffer einen
anderen Blick auf die Dinge.
Zum anderen, habe ich kürzlich zufällig die Technik dazu entdeckt und es macht total
Spaß damit zu experimentieren.
Wie es zu dem Libellenprojekt kam und welche Technik ich dabei verwendet habe schildere
ich im Folgenden (bitte aufklappen)
Ende Juni, Anfang Juli ist es an der Zeit, dass die Blaugrünen Mosaikjungfern
den letzten Schritt ihrer Metamorphose vollbringen: Aus der im Wasser lebenden Larve
wird eine Libelle. Dabei klettert die Larve ein Stück am Stängel einer Wasserpflanze
hinauf und krallt sich dort gut fest. Kurz danach platzt die Larve hinter dem Kopf
am Rücken auf und die weiche fast fertige Libelle kommt heraus. Ihr Körper und die
Flügel strecken sich in die Länge und nach ein oder zwei Stunden ist die Libelle
getrocknet und fertig für die letzte Phase ihres Lebens, die viel kürzer ist als
ihr Leben unter Wasser.
Libellen bei der Eiablage. Es ist hier aber nicht die Blaugrüne Mosaikjungfer sondern
eine andere viel kleinere Art, nämlich die Hufeisen-Azurjungfer, bei der das Männchen
das Weibchen hinter dem Kopf festhält und an zur Eiablage geeignete Blätter oder
Stängel bringt.
Ich habe das schon öfter beobachtet und auch schon fotografiert, dieses Jahr hatte
ich mir aber in den Kopf gesetzt, den Vorgang mit der für mich neuen Zeitraffertechnik
aufzunehmen. Das Schlüpfen aus der Larve ist für die Libelle eine höchst heikle
Angelegenheit: da sitzt dieses große Insekt firsch und weich wie aus dem Ei gepellt
an einem Stängel und kann sich nicht von der Stelle bewegen. Diesen Leckerbissen
würde sich wohl kaum ein Schnabel entgehen lassen. Es gibt eine gut geschützte Stelle
an unserem Gartenteich, die offensichtlich besonders für diese gefährliche Aktion
geeignet ist: unter den Zweigen des Apfelbaums, nahe der Hecke am Gartenzaun. Dort
sind sie einigermaßen sicher vor Vögeln und wer sonst noch Appetit auf frische Libellen
hat. Jedenfalls waren eines Morgens dort mehrere leere Larvenhüllen zu sehen.
Also machte ich mich daran, am Abend die Kamera dort aufzubauen. Die Software hatte
ich so eingerichtet, dass die Kamera morgens um 5 Uhr anfangen würde alle 6 Sekunden
ein Bild zu machen. Mit dieser Einstellung würde sie ca. 6 Stunden laufen und fast
4000 Bilder aufnehmen. Ich war hocherfreut, als ich am Morgen nach dem Frühstück
dort 3 frisch geschlüpfte Libellen sitzen sah, die wie frisch lackiert glänzenden
Flügel in der Morgensonne ausgebreitet. Ich war sehr gespannt auf die Bilder, doch
die Enttäuschung war groß: Schon auf dem 1. Bild saßen sie so da mit den frisch
lackierten Flügeln in der Sonne glitzernd.
Aber, ich kann auch früher. Am nächsten Morgen sollte die Kamera schon um 4 Uhr
starten, was sie auch brav tat. Mit leider dem selben Ergebnis: wieder waren frische
fertige Libellen schon auf dem ersten Bild zu sehen. Also noch eine Stunde früher.
Diesmal war auf dem ersten Bild noch nichts zu sehen, also alles schwarz, es ist
halt noch dunkel um 3 Uhr morgens. Mit dem Photoshop konnte man aus den dunklen
Bildern doch noch was herauskitzeln: eine frisch geschlüpfte Libelle! Also keine
Chance: Die Libellen suchen nicht nur einen verstecken Ort für ihr gefährliches
Unternehmen sondern auch eine Zeit zu der kein Vogel unterwegs ist. Und zu der auch
keine Aufnahme mit der Kamera möglich ist.
Es sei denn, man benutzt den Blitz. Aber wie blöd ist das denn! Schon tagsüber verstecken
sich die scheuen Larven immer auf der anderen Seite des Stängels, wenn man sich
ihnen nähert solange sie noch nicht in die zum Schlüpfen notwendige Starre gefallen
sind. Wenn man sie nachts im 4 Sekunden Takt aus 70 cm Entfernung mit dem Blitz
anballert, voll auf die großen Facettenaugen, dann werden sie sich einen anderen
Stängel aussuchen oder gleich garnicht erst aus dem Wasser wagen. Aber was soll
ich machen: die Nacht über aufbleiben und am Teich hocken bis eine Larve sich festgekrallt
hat war mir dann doch zu viel der Mühe und so habe ich wider besseres Wissen doch
die Nacht durch im 4 Sekunden Takt die Kamera blitzen lassen (ich habe ein Netzteil...).
Und am nächsten Morgen: drei neue Hüllen genau an der Stelle auf die die Kamera
gezielt hat. Und auf den einzelnen Bildern kann ich es jetzt genau nachvollziehen:
das Schauspiel beginnt um 23:30 und geht bis 2:30. Das Ergebnis ist im obigen Filmchen
komprimiert auf 50 Sekunden zu sehen.
Eine frisch geschlüpfte Blaugrüne Mosaikjungfer. Manche schlüpfen auch tagsüber,
wie diese hier.
Ich habe so eine kleine Digitalkamera, wie man sie eben heute hat: praktisch für
den Urlaub, klein und mit viel Speicher für so viele Bilder, wie man nach dem Urlaub
garnicht mehr überblicken kann. Die Festplatte läuft über, CDs und DVDs stapeln
sich im Schrank, in Diakästen umgerechnet wären das LKW Ladungen. Man kann ja auch
löschen, aber ich möchte wissen, wer das tut. Meine Kamera ist eine Canon Powershot
SX110IS. Ich bin sehr zufrieden damit.
Zufällig bin ich neulich im Internet über eine Software gestolpert mit dem Namen
CHDK: "Canon Hack Development Kit".
Ein vielversprechender Name für eine Software, die die Software (oder Firmware)
der Kamera ersetzt oder erweitert. So eine Kamera ist schließlich auch nur ein Computer,
zwar mit Linse und Fotochip, aber auch mit Betriebssystem und Display. Und so kann
man alles mögliche mit der Kamera machen: sie zum Wecker umprogrammieren (Lautsprecher
und Uhr sind ja vorhanden) oder zur Taschenlampe (ganzes Display weiß), Spiele darauf
spielen (Display und Pfeiltasten) oder sie als Diktiergerät verwenden (Mikrofon
und Speicherchip). Und neben hunderten von Einstellungen, die das CHDK mitbringt,
kann man auch selbst kleine Programme schreiben für die Kamera, sogenannte Scripts,
und davon gibt es auch eine große Auswahl fertiger Progrämmchen. Z.B. Auslösen bei
Bewegung im Bild (damit kann man angeblich sogar Blitze beim Gewitter fotografieren)
oder eben alle x Sekunden eine Aufnahme machen.
Letzteres gibt es z.B. unter dem Namen "Ultra Intervalometer" und ich habe es etwas
umprogrammiert, so dass man eine Zeitverzögerung für die erste Aufnahme einstellen
kann. Da muss ich nicht mitten in der Nacht aufstehen: das Programm startet automatisch
zu einer vorgegebenen Uhrzeit. Das war sehr praktisch für meine misslungenen Libellenaufnahmen.
Man braucht schon einen dicken Speicherchip, um all diese Fotos darauf unterzubringen.
Ich verwende z.Z. 8 GByte, aber auch 16 GByte sind heute schon recht erschwinglich.
Man kann natürlich auch die Auflösung der Fotos runterschrauben, dann gehen viel
mehr Bilder auf so einen Chip, aber das wollte ich nicht, wie man gleich sehen wird.
Eine HD Videoaufnahme hat 1280*720 Bildpunkte (oder auch 1920*1080), ein Foto meiner
Kamera dagegen 3456*2592 Bildpunkte, also viel mehr. Da passt das HD Video Bild
9 mal rein! Oder andersherum gesagt, ich kann nach der Aufnahme noch festlegen welchen
Ausschnitt ich genau haben will, und das ganz ohne Qualitätsverlust! Und das konnte
ich für meine Libellen gut gebrauchen, denn man steckt ja nicht drin in so einer
Libellenlarve (da steckt ja schon die Libelle drin) und weiß nicht an welchem Stängel
sie hochkrabbeln wird. Also wähle ich den Ausschnitt so, dass 4 Stängel drauf sind
und ich hinterher aussuchen kann, welchen ich auf dem Video haben will.
Die Kamera beim Ablichten der schlüpenden Libellen. Das Eimerchen um die Kamera
dient als Regenschutz.
Und noch mehr könnte man machen: Man könnte hinterher einen Kameraschwenk über das
Gesamtbild machen oder von der Totale in ein Detail hineinzoomen. Wenn man nur ein
Programm hätte, mit dem man sowas machen kann, die Daten, nämlich die vielen hochaufgelösten
Fotos, sind ja vorhanden. Es gibt verschiedene Programme, mit denen man aus einem
Haufen einzelner Bilder ein Filmchen machen kann, ich verwende z.B.
Photolapse, aber ich habe keines gefunden, mit dem ich Zoomen und Schwenken
kann, zumindest kein kostenloses. Also hab ich mich daran gemacht, selbst eines
zu schreiben. Es ist zwar noch nicht ganz fertig und ich habe noch einige Ideen,
was das Programm noch alles mit den Zeitraffer-Bildern machen soll, aber für das
Libellen Video habe ich es schon benutzt. Wenn es in einer ersten Version fertig
ist, stelle ich es hier zum Runterladen zu Verfügung. Das wird hoffentlich in wenigen
Wochen der Fall sein, ich komme halt immer nur in meiner Freizeit dazu daran weiter
zu arbeiten (4.7.2010)
Und so sieht nun die nachträgliche Regie für das Filmchen aus:
Die Zeit von der Dämmerung (21 Uhr) bis 23 Uhr beginnt in der Totalen und zoomt
dann auf des Zentrum des Geschehens. Diese Zeit lasse ich auch viel schneller ablaufen
(nur jedes 3. Bild wird verwendet). Als dann die erste Larve am Stängel hochklettert
werden alle Bilder verwendet, der Film läuft also hier viel langsamer als am Anfang.
Um 23:30 Uhr platzt dann die Larve auf und bis 2:30 läuf der Film in der langsamsten
Geschwindigkeit weiter, d.h. jedes einzelne Bild wird verwendet. Um 2:30 fällt die
Libelle im Zentrum herunter. Sie hatte sich an ihrer leeren Hülle festgeklammert
und diese hielt wohl nicht gut genug. Ob sie das überlebt hat weiß ich nicht. Die
anderen beiden Libellen sitzen fest und bleiben bis zum Wegfliegen sitzen. Kurz
nacheinander klappen sie ihre Flügel auf. Leider ist der Abflug als solches natürlich
nicht zu sehen, der geschieht eben zwischen zwei einzelnen Aufnahmen. Ab diesem
Zeitpunkt aber lasse ich das Video mit wiederum erhöhtem Tempo weiterlaufen und
zoome langsam auf die Totale zurück. Schnell kommt die Morgendämmerung und man sieht
wie die Wolken vorbeiziehen.